Schröpfen und Kiiko-Style

Von Peter Wäch

Daniel Widmer begann seine Ausbildung in TCM und Akupunktur bereits mit 25 Jahren. Seit 11 Jahren wirkt der 41-Jährige in eigener Praxis in Bern. Seine Weiterbildungen führten den Heilpraktiker auch zur Kunst des Schröpfens. Die asiatische Heilkunst ist nicht nur dafür bekannt, Verspannungen zu lösen und Schmerzen zu lindern, sondern auch den Organismus wieder in den Fluss zu bringen.

Die schlichte Einrichtung in Daniels Widmers Praxis in Bern widerspiegelt die Arbeitsweise des Spezialisten. Er hat sich seit seiner Ausbildung zum TCM-Therapeut auf japanische Heilmethoden spezialisiert. Dazu gehört, dass man sich viel Zeit nimmt für seine Patienten. Daniel Widmer ist gelernter NLP-Praktiker und sagt: „Ich lege viel Wert auf ein intensives Gespräch, es ist das A und O für eine Behandlung.“

Der Kiiko-Style 

Daniel Widmer

Daniel Widmer

Nach der Anamnese geht Daniel Widmer zur Puls- und Zungendiagnose über, wie man sie aus der Traditionellen Chinesischen Medizin kennt. Den Hauptfokus legt er auf die Hara-Diagnose, die einen japanischen Ursprung hat. Hier wird die Bauch-Region abgetastet und nach möglichen Spannungen im System gesucht. Daniel Widmer hat sich das Rüstzeug bei der japanischen Koryphäe Kiiko Matsumoto geholt. Im Gegensatz zur TCM wird beim sogennanten Kiiko Style mehr Wert auf die Tastfähigkeit und anschliessende Schmerzminderung gelegt. Das erreicht man in Japan, indem man die Fernpunkte, also die Zonen um die schmerzenden Akupunkturstellen, verbessert.

Die Behandlung erfolgt u.a. mit Nadeln, spezieller japanischer Moxubation oder mit kurzer Schröpf-Prozedur. Individuelle Kräutermischungen sind auch ein Thema. Daniel Widmer hält fest: „In Japan sind die Verfahren weniger invasiv. Einerseits werden feinere Nadeln verwendet und andererseits ist der Schröpfvorgang mittels Gläser in der Rücken- und Nackenpartie kürzer.“ Widmer erklärt: „Die Japaner fokussieren sich darauf, ein geschwächtes oder blockiertes System aufzubauen. Wird ein Körper therapeutisch zu stark in Anspruch genommen, kann das nach japanischer Lehre Energie kosten, die für den Aufbau fehlt.“

Temporäre Erstverschlimmerung 

Die Therapieform des Schröpfens ist für Daniel Widmer eine probate Angelegenheit, wenn man von der Erstverschlimmerung temporär auftretender Flecken absieht. Der Heilpraktiker verwendet alle drei Varianten des Schröpfens. Dazu gehören das trockene und das „blutige“ Schröpfen sowie die Schröpfmassage. Letztere ist am wenigsten anfällig für Verfärbungen, denn die Gläser werden mittels Körperöl sachte über die Meridiane geführt. In China nennt man die Energiestellen, die stellvertretend für Herz, Magen, oder Lunge stehen, Shu-Punkte.

Das Verfahren des Schröpfens hatte in der westlichen Heilmedizin mit dem Aderlass einen Vorläufer. Das zeigt sich beim „blutigen“ Schröpfen. Dazu Daniel Widmer: „Die ausgewählte Stelle am Körper wird zuerst leicht angeritzt und im Gegensatz zum trockenen Schröpfen, das ohne ‚Wunde‘ auskommt, wird auch der Unterdruck des Glases etwas länger aufrechterhalten.“ Auch hier erweist sich die japanische Herangehensweise als schonender. „Wir reden hier von ein bis zwei Tropfen Blut, das dem Körper entnommen wird“, so Widmer, „alles andere wäre ein unnötiger Verlust der Lebensenergie Ki.“

Blockaden lösen 

In Asien hat Schröpfen eine jahrtausendealte Tradition. Bevor man Gläser einsetze, kamen u.a. Bambusrohre zum Einsatz. Die Wirkung ist die Gleiche wie heute. Daniel Widmer: „Bei einer Massage werden Verspannungen und Verhärtungen im ungünstigen Fall zusätzlich in den Körper geknetet. Mit dem Vorgang des Schröpfens wird eine bestehende Blockade jedoch regelrecht rausgesogen.“

Schröpfen eignet sich nicht nur hervorragend bei einem blockierten Ki. Es ist ebenso eine gute Methode, das Immunsystem zu stärken, sei es präventiv oder wegen bereits vorhandener Erkrankungen. Der Fluss von Blut und Lymphe wird verbessert, und auch Schmerzen lassen sich durch die Gläser lindern. Daniel Widmer, der die Kunst des Schröpfens u.a. im Sake Bildungszentrum in Bern lehrt, gibt seinen Patienten stets zu bedenken: „Ändert Euren Lifestyle! Der Mensch ist was er isst und wie er die Welt sieht.“

Blutdruckwerte beachten  

Wer in eine Schröpfbehandlung geht, sollte sich im Vorfeld seinen Blutdruck messen lassen und auch darüber informieren, ob er Medikamente wie Blutverdünner einnimmt. Daniel Widmer weiss: „Auf das Schröpfen kann ein momentaner Schwächeanfall folgen, weil der Blutdruck eher sinkt.“ Patienten, die sehr geschwächt sind, rät er vorerst vom Schröpfen ab, denn es gilt, zuerst das Ki aufzubauen.